KONZEPTION FÜR SCHULISCHE UMWELTERZIEHUNG

7 ANHANG

7.2 ANTWORT DES SENATS VOM 26. OKT. 1992 AUF DIE GROßE ANFRAGE DER FRAKTION DER CDU UND DER FRAKTION DER SPD (ANHANG 7.1)

Zu 1.:

Der Senat entwickelt ein umweltpädagogisches Konzept, in das der Senator für Schule, Berufsbildung und Sport die Vorstellung einer Umwelterziehung als Unterrichtsprinzip einbringt. Er löst damit auch die Forderung der Kultusministerkonferenz ein, umweltpädagogische Bemühungen zu einem zentralen Anliegen der Berliner Schule zu machen.

Dabei werden verschiedene Schwerpunkte gesetzt:
- Die didaktische Einbindung umweltrelevanter Themenkreise in die Rahmenpläne,
- die Verstärkung fächerübergreifender Unterrichtsmethoden,
- die ökologisch fundierte Lehrerfort- und -weiterbildung,
- die Wandlung der Schule zum ökologischen Lernort,
- die Zusammenarbeit mit anderen außerschulischen Lernorten.

Die grundlegend notwendige Fachorientierung der Lehrerbildung soll demgemäß erweitert werden. Dabei sollte die Umwelterziehung nicht nur auf Naturwissenschaften und Erdkunde zentriert werden, wie das bisher oft der Fall ist.

Den Schulen soll Gelegenheit gegeben werden, in und außerhalb ihrer Organisationsrhythmen verschiedene Formen der Umwelterziehung zu praktizieren, wobei die Schule selbst als ökologischer Lernort ausgerichtet werden soll, wo immer es möglich ist.

Pädagogische Bemühungen sollen vor dem Hintergrund der jeweiligen Lebensweise zu individuellem umweltverantwortlichen Handeln befähigen. Dieses Bildungsziel ließe sich mit den Begriffen "Aufklärung zur Verantwortung" und "Befähigung zum Diskurs" umreißen. Es ist wesentlich dadurch charakterisiert, daß nicht die inhaltliche Norm, z. B. Schutz der Natur und Umwelt, sondern der Prozeß der situationsbezogenen und differenzierten Abwägung und verantwortlichen Entscheidungsfindung zentrale Bedeutung erhält.

Zusammenfassend folgt, daß Umweltbildung und -erziehung anknüpfend an die eingangs erwähnte alte Forderung nach fächerübergreifendem Unterricht im natur- und gesellschaftswissenschaftlichen Bereich um die literarischen, musischen und philosophischen Fächer ergänzt werden muß. Das begründet die Bemühungen, Umwelterziehung zum allgemeinen Unterrichtsprinzip in möglichst allen Fächern zu erheben und ihren integrativen Charakter zu betonen.

Darüber hinaus ist zu prüfen, wie die Schule als ökologischer Lernort ihren gesamten Haushalt (Verwendung von Büromaterial, Energieversorgung, Cafeteria und Mensa, Entsorgung) umweltbewußter gestalten kann.

Im Rahmen eines neuen, bereits beantragten Modellversuchs "Schulische Umweltbildung im Ballungsraum des wiedervereinigten Berlins" sollen weitere Konzepte entwickelt und neue Fortbildungsveranstaltungen vorbereitet werden, um diese Ziele weiter zu verfolgen. Die Zustimmung zum Modellversuch seitens der BLK steht noch aus, so daß nicht voll auf die Zuarbeit vom Modellversuch gesetzt werden kann. Eine Rahmenplankommission ist vorgesehen, die die oben genannten Vorhaben aufarbeitet und für eine Umsetzung in den jeweiligen Rahmenplänen vorbereitet.

Zur Vorbereitung dieser Maßnahmen wird zur Zeit ermittelt, welche Projekte zu Umweltfragen in den Schulen durchgeführt oder geplant werden, wie die Schulen bewirtschaftet werden, wie die Schulfreiflächen gestaltet sind und welche Aktivitäten gegebenenfalls zu ihrer Umgestaltung geplant sind.

Die für die Durchführung des beantragten Modellversuchs notwendigen vier Stellen sind in der in Vorbereitung befindlichen Senatsvorlage für "Pädagogische Verbesserungen" beantragt.

Zu 2., 3. und 6.:

Die Kultusministerkonferenz hat schon am 17. Oktober 1980 beschlossen, daß die Ziele der Umwelterziehung "an verschiedenen Inhalten in mehreren Fächern oder in fächerübergreifenden Unterrichtsveranstaltungen verwirklicht werden (können). Insofern ist Umwelterziehung ein fächerübergreifendes Unterrichtsprinzip, das in gleicher Weise den naturwissenschaftlichen wie den gesellschaftswissenschaftlichen Unterrichtsbereich durchdringt. ... Für die Umsetzung dieser Grundsätze und Ziele der Erziehung zu Umweltbewußtsein und Umweltschutz und ihre Einbeziehung in die Lehrerfortbildung" solle Sorge getragen werden.

Rahmenpläne und Vorläufige Rahmenpläne für Unterricht und Erziehung in der Berliner Schule weisen für alle Klassenstufen Themen der Umweltbildung, des Umweltschutzes und der Umwelterziehung aus. Im einzelnen handelt es sich in der Grundschule um Sachkunde, Erdkunde und Biologie, im Sekundarbereich I Erdkunde, Physik, Biologie, Chemie, Arbeitslehre, das Wahlpflichtfach Biologie, das Wahlpflichtfach Chemie, Weltkunde, Geschichte, Sozialkunde und den wirtschafts- und sozialkundlichen Kurs der Realschule. Für die gymnasiale Oberstufe weisen die Rahmenpläne für die Politische Weltkunde, Erdkunde, Physik, Chemie und Biologie entsprechende Inhalte aus. In den berufsbildenden Schulen sind neben der Sozialkunde die Fächer Physik, Chemie, Biologie, Politische Weltkunde, Wirtschaftslehre sowie die technischen Fächer und die Fachpraxis der berufsfeldtypischen Schwerpunktfächer für Fragen der Umwelterziehung wichtig.

Der von 1988 bis 1991 mit Fördermitteln des BMBW durchgeführte Modellversuch "Umweltbildung, Umwelterziehung und Umweltgestaltung im Schulbereich" und das von 1990 bis 1992 durchgeführte Projekt der Lehrerweiterbildung und der Technischen Universität Berlin "Integrative Umweltbildung und Umwelterziehung am Gymnasium" dienten der unterrichtspraktischen Erarbeitung und Erprobung der obengenannten umweltrelevanten Rahmenplaninhalte. Die konkreten Ergebnisse des Modellversuchs wurden in Form von Handreichungen und Lehrerinformationen allen Berliner Schulen in den Osterferien zugestellt. Auch im Pädagogischen Zentrum sind darüber Informationsmaterialien einsehbar.

Die Umwelterziehung wird im Rahmen des Studiums und der Ersten Staatsprüfung für die Lehrämter prinzipiell berücksichtigt. Dabei sind Umfang und Intensität der Behandlung von Aspekten der Umwelterziehung in erheblichem Ausmaße abhängig von der Wahl von Teilstudiengängen ("Fächern"), Studienschwerpunkten innerhalb der "Fächer" und von Lehrveranstaltungen sowie von Prüfungsbereichen und den dazugehörigen Wahlgebieten. Generell ist in diesem Kontext zu berücksichtigen, daß die Lehrerausbildung (1. Phase) im Rahmen eines akademischen Studiums und nicht in einem im einzelnen festgelegten Seminar- bzw. Schuldurchgang erfolgt.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß die Umwelterziehung explizit und implizit Gegenstand von Studium und Prüfung ist.

Für die 2. Phase der Lehrerbildung gilt, daß die schulpraktische Ausbildung rahmenplangerecht erfolgt. Da Umwelterziehung verbindlicher Inhalt der Rahmenpläne ist, bezieht die Arbeit im Fachseminar und im Ausbildungsunterricht sowie im allgemeinen Seminar diese Thematik ein.

Fächerübergreifende Umwelterziehung ist in der Lehrerfortbildung als pädagogischer Schwerpunkt verankert. Mit annähernd 50 Veranstaltungen zum Umwelt- und Naturschutz ist z. B. in diesem Schulhalbjahr ein reichhaltiges Programm vorgelegt worden, das kaum eine Frage offenläßt.

Im Rahmen schulinterner Fortbildungsmaßnahmen, Studientage, erfolgt zunehmend häufiger eine besonders intensive Fortbildung für Fragen der Umweltbildung und Umwelterziehung.

Eine reichhaltige Palette von Fortbildungsveranstaltungen wurde bisher durch den beendeten Modellversuch angeboten.

Die weitere Förderung derartiger Maßnahmen soll in Zukunft durch den sich in Vorbereitung befindlichen Modellversuch verstärkt werden.

Zu 4.:

Umweltbildung, die zur Verantwortlichkeit befähigen will, muß neben dem Erwerb von Fachwissen und der Entwicklung von Handlungskompetenz durch direktes Erleben auch Möglichkeiten zur Entwicklung von Autonomie, Selbstreflexion und Selbstverwirklichung schaffen. Sie hat sich dabei an der jeweiligen Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen zu orientieren, d. h. es ist eine Vielfalt von pädagogischen Zugängen zu fordern, die in sehr unterschiedlichem Ausmaß kognitive, affektive, handlungsorientierte und persönlichkeitsbezogene und -bildende Aspekte beinhalten.

Verantwortung für die Umwelt als weitgehendes Ziel der Umweltbildung und -erziehung ist über das individuelle Verhalten hinaus gleichermaßen auf das politische Handeln auszudehnen. So zielt Umweltbildung als politische Bildung neben individueller auch auf kollektive Bewußtseinsbildung, mithin auf ein kompetentes Handeln, wobei die Betroffenheit und Möglichkeit der Teilhabe des einzelnen oft wesentlich ist.

In dem beantragten Modellversuch soll u. a. geprüft werden, wie die Ergebnisse der Enquête-Kommission "Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre" im Bildungssystem umgesetzt werden können, wie der unmittelbare Wohn- und Lebensraum der Schüler ihnen bewußter gemacht werden kann, die Fragen der Wirtschaft, des Rechtswesens, der Landwirtschaft und des Berliner Umlandes den Schülern vermittelt werden können. Die Förderung überregionaler und internationaler Schülerbegegnungen soll u. a. auch die nicht begrenzbare Umweltproblematik den Schülerinnen und Schülern deutlich machen.

Verantwortung für die Umwelt als weitgehendes Ziel der Umweltbildung und -erziehung ist eine dauernde Herausforderung für die Lehrerschaft in der Realisation im schulischen Alltag. Der Senat geht davon aus und ist gewiß, daß die Lehrerschaft sich dieser Herausforderung aktiv stellt. Er wird seinerseits durch Angebote der Lehrerfortbildung und durch die Durchführung von Modellversuchen die notwendige Unterstützung leisten. Das gilt in besonderem Maße für die benannten schwierigen organisatorischen Bedingungen der Schule und der noch weiter zu bearbeitenden Themen.

Zu 5.:

Die geltenden Rahmenpläne für Unterricht und Erziehung in der Berliner Schule - darauf weist ein Ergebnis des durchgeführten Modellversuchs hin - ermöglichen mehr umweltpädagogische Unterrichtsthemen, als vordergründig vermutet wird. Die curricularen Inhalte stellen somit keineswegs ein Hindernis für fächerübergreifende Umwelterziehung dar. Im Zusammenhang mit der Revision der einzelnen Rahmenpläne wird überprüft, ob Themen der Umwelterziehung noch stärker als bisher berücksichtigt werden können. Erfahrungsgemäß lassen sich keine Zeiträume für die Revision einzelner Rahmenpläne und Vorläufiger Rahmenpläne benennen.

Eine grundlegende Revision aller Rahmenpläne ist eine Aufgabe, die ein Jahrzehnt dauert. Daher wird pragmatisch geprüft, welche Rahmenpläne baldmöglichst verändert werden sollen; dies ist u. a. eine Aufgabe des neuen Modellversuchs und der zuständigen Rahmenplankommission.

Zu 7.:

Für die Einbeziehung der außerschulischen Lernorte in die schulische Umwelterziehung und -bildung gibt es eine Absprache zwischen dem Senator für Stadtentwicklung und Umweltschutz und dem Senator für Schule, Berufsbildung und Sport über eine ressortübergreifende Zusammenarbeit. Das Konzept soll in Kürze vorliegen.

In Berlin bestehen als bezirkliche Einrichtungen neun Gartenarbeitsschulen, fünf Zentralschulgärten und drei Freilandlabore. Daneben gibt es die Botanik-Schule (Pädagogische Beratungsstelle im Botanischen Garten und Museum), die Station junger Naturforscher Lichtenberg, die Schulbiologiestation 5. OG Friedrichshain, das Naturschutzzentrum Ökowerk am Teufelssee, das Freilandlabor Britz, den Arbeitskreis "Grün macht Schule", die Grunewaldschule der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, das Lehrkabinett Teufelssee, die Waldschule Spandauer Forst, das Freilandlabor Flughafensee, das Freilandlabor Unterwegs, die Naturschutzstation Malchow und eine Einrichtung in der Wuhlheide. Über die Fortführung und den Bestand letzterer ist noch nicht entschieden.

Die Senatsverwaltung für Schule, Berufsbildung und Sport hat zwei ganze Stellen an den Arbeitskreis "Grün macht Schule" und zwei halbe Stellen an das Freilandlabor Unterwegs abgeordnet.

Seitens der Bezirke werden die Freilandlabore, Zentralschulgärten und Gartenarbeitsschule mit vom Unterricht teilweise freigestellten Lehrerinnen und Lehrern unterhalten.

Die Forstverwaltung unterhält das Lehrkabinett Teufelssee mit vier Stellen und die Waldschule Spandauer Forst mit zwei Stellen, deren Bestand allerdings noch nicht gesichert ist.

Das Ökowerk am Teufelssee, das Freilandlabor Britz, der Arbeitskreis "Grün macht Schule" und die Grunewaldschule werden als Zuwendungsempfänger von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz bzw. von der Abteilung Volksbildung des Bezirksamtes Neukölln mit neun Stellen unterhalten.

Zu Beginn dieses Schuljahres hat der Senat im Rahmen des Programms Aufschwung 0st und des ABM-Programms für alle Berliner Bezirke 92 Stellen für Maßnahmen zur Umgestaltung der Schulfreiflächen beantragt. Anleitung und Qualifizierung erfolgen durch den Arbeitskreis "Grün macht Schule". Dafür wurde die Zahl der an den Arbeitskreis abgeordneten Lehrerstellen auf zwei verdoppelt. Ein Antrag ist für die Senatsvorlage für "Pädagogische Verbesserungen", die im Juni vorgelegt wird, gestellt worden.

Zu 8.:

Die fünf Zentralschulgärten in Friedrichshain, Köpenick, Lichtenberg, Pankow und Treptow, das Lehrkabinett Teufelssee, die Einrichtung in der Wuhlheide, das Freilandlabor Unterwegs und die Naturschutzstation Malchow sind Einrichtungen im Ostteil der Stadt. Die knappen Mittel lassen es opportun erscheinen, vor der Gründung weiterer Einrichtungen im Ostteil der Stadt die existierenden Einrichtungen zu erhalten.

Zu 9.:

Der Senat (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz) wird durch die Vorlage eines umweltpädagogischen Konzepts für das Haushaltsjahr 1993 die für die Umwelterziehung in Berlin benötigten Stellen und Sachmittel beantragen und dem Abgeordnetenhaus mit der Bitte um Zustimmung vorlegen. Dazu werden die privaten Träger und bezirklichen Einrichtungen einbezogen.

Schlußbemerkung:

Angesichts der immer deutlicher werdenden, auch aus der Situation als Großstadt bedingten Umweltprobleme Berlins, sind Investitionen zur Intensivierung der Umwelterziehung zwingend geboten. Der Senat wird im Rahmen der aufgezeigten Maßnahmen sicherstellen, daß alle unterrichtlichen und erzieherischen Möglichkeiten zu einem umweltbewußten Verhalten in der Berliner Schule voll genutzt werden.


Umweltbildung HH - 11/12/96