7 ANHANG
7.8 AUSFÜHRLICHE DARSTELLUNG ZU DEN FORDERUNGEN EINER
UMWELTFREUNDLICHEN SCHULE
7.8.1 Schulbau
7.8.2 Schule und Verkehr
7.8.3 Freiflächen
7.8.4 Energie
7.8.5 Wasser
7.8.6 Lehr- und Lernmittel
7.8.7 Ernährung
7.8.8 Reinigung
7.8.9 Abfall/Müll
7.8.9 Abfall/Müll
"Müllvermeidung und Abfallentsorgung" ist das mit
Abstand am häufigsten im Unterricht behandelte umweltrelevante
Thema. Dies ist in Hinsicht auf die umweltpolitischen Diskussionen
in Berlin nicht verwunderlich. Mit der Einführung des "Grünen
Punktes" ist die Müllsortierung und damit die Müllproduktion
noch stärker ins Bewußtsein gedrungen und das verantwortliche
Verhalten jedes Einzelnen herausgefordert. Gerade an diesem Themenbeispiel
können Schüler/innen die Verflechtung ökologischer,
ökonomischer und gesellschaftlicher Einflüsse erkennen,
die zum gegenwärtigen Zustand unserer Umwelt geführt
haben und erkennen, daß Sorge für
die Umwelt die Auseinandersetzung mit Interessengegensätzen
einschließt und deshalb eine sorgfältige Abwägung
von ökonomischen und ökologischen Gesichtspunkten notwendig
ist (KMK, 1980).
Dabei kann es nicht nur um theoretische Erkenntnisvermittlung
gehen, sondern die Schule selbst muß den aktuellen umweltpolitischen
Ansprüchen genügen. Schule selbst ist ein Ort, an dem
Müll produziert und Müll vermieden werden kann und wo
Verbesserungen zu möglichem Recycling von Rohstoffen und
Produkten konkret umgesetzt werden können. Ein gelungenes
Beispiel bietet der fächerübergreifende Unterricht,
der an der Fritz-Karsen-Schule erprobt wurde und in der Handreichung
"Zum Beispiel Müll" dargestellt ist und zahlreiche
Anregungen für die Unterrichtsgestaltung bietet.
Schule ist ein Schnittpunkt verschiedener Lebensbereiche. Das
Abfallproblem an der Schule ist nicht ohne den Bereich der Privathaushalte
anzugehen. Übergreifende Projekte Schule/Elternhaus sind
deshalb sehr zu empfehlen.
Gemäß der AV-Ernährung sind seit dem 1. Mai 1994
Einwegverpackungen, -geschirr und -bestecke an den Berliner Schulen
verboten. Dies gilt auch für den Automatenverkauf. Die Einhaltung
der AV ist zu gewährleisten. Durch Einbeziehung, Schulung
und vertragliche Absprachen mit Reinigungsfirmen, Pächtern
von Kiosken oder Kantinen und Hausmeistern/innen sollte ein über
die Ausführungsvorschriften hinausgehendes Maß von
Verbindlichkeit erreicht werden.
Problemstellung
Zur Verminderung des Abfalls können Rahmenrichtlinien geschaffen
werden, deren Umsetzung aber von der Akzeptanz bei allen Beteiligten
und den gesetzlichen Vorgaben abhängt.
Grundsätzlich müssen Maßnahmen angestrebt werden,
deren Bedeutung sich in folgender Hierarchie ablesen läßt:
- Abfallvermeidung
- Wiederverwendung
- Recycling
- Umweltfreundliche Entsorgung
1. Abfallvermeidung
Oberste Prämisse ist die Müllvermeidung . Das bedeutet,
Vermeidung bzw. Reduzierung aller nicht wiederverwendbaren Materialien
und Produkte. Dabei muß besonders die Menge der Verpackungen,
die den größten Anteil am anfallenden Hausmüll
haben, drastisch reduziert und auf ein minimales Maß eingeschränkt
werden.
Es ist grundsätzlich zu verlangen, daß Mehrwegtransportverpackungen,
Nachfüllbehälter und Großpackungen verwendet werden.
Bei allen Geräten, besonders elektronischen, ist sicherzustellen,
daß es sich nicht um Wegwerfprodukte handelt, die nicht
mehr repariert oder mit Ersatzteilen versehen werden können.
2. Wiederverwendung
Wenn möglich sollten alle Produkte so lange genutzt werden,
wie ihre Lebensdauer es erlaubt. Die Wiederverwendung von Papier
als "Schmierpapier" ist ein durchaus wichtiger Ansatz,
da das verbrauchte Papier in der Schule eines der wesentlichen
Abfallbestandteile ist.
Vielerorts wird die Beschaffung schon genutzter Geräte, die
an anderer Stelle nicht mehr gebraucht werden, bereits organisiert.
In Wilmersdorf wird vom Umweltamt seit kurzem eine Tausch- bzw.
Wertstoffbörse betrieben.
3. Recycling
Theoretisch könnten nahezu 80% des Hausmüllaufkommens
durch Kompostierung und Materialrecycling verwertet werden.
Verwendbare Produkte
- Papierartikel (s. 7.5.6. Lehr- und Lernmittel): Umweltschutzpapier
aus 100%, Hefterkarton mind. 30%, sonstige Papiere mindestens
50% Altpapier. Die Aufbereitung der Papiere soll ohne halogenierte
Bleichmittel und EDTA erfolgt sein.
- Kunststoffe: Mehrwegbehälter und Gehäuse von Geräten,
Schreibwerkzeuge etc. PVC-freie Kunststoffe
- Textilien
- Chemikalien
4. Umweltfreundliche Entsorgung
Ein wichtiges Kriterium für die Verwendung von Produkten
ist die Möglichkeit, sie umweltfreundlich zu vernichten,
denn bei vielen Stoffen bedeutet das Recycling nur ein zeitliches
Verzögern der problematischen Beseitigung. Bekanntes Beispiel
hierfür ist das PVC. Ist eine umweltfreundliche Entsorgung
nicht gewährleistet, sollte gänzlich auf die Nutzung
des Materials oder Produktes verzichtet werden (z. B. auf den
Einbau von Kunstrasen). Papier, Glas, Sonderabfälle (z. B.
Batterien, Leuchtstoff- und Energiesparlampen, Chemikalien) und
Sperrmüll sollten getrennt entsorgt werden. Elektronikschrott
ist zur Verwertung abzugeben. Die Kompostierung organischer Stoffe
sollte durchgeführt werden.
Die Trennung der Grünen Punkt-Produkte von dem übrigen
Hausmüll darf nur dann erfolgen, wenn deren sinnvolle Weiterverarbeitung
sichergestellt ist. Dies ist bisher nicht der Fall, wodurch die
Getrenntsammlung pädagogisch bedenklich wird.
Leider sind umweltfreundliche Recyclingprodukte, Pfandsysteme
u.ä. häufig immer noch teurer als andere. Dies ist der
Subventionierung bestimmter Produkte und Produktionsformen geschuldet.
Eine eindeutige Gesetzgebung, wie z. B. ein Verbot von Getränke-Dosen,
fehlt. Dadurch fühlen sich die Verbraucher gezwungen, aus
Kostengründen auf weniger umweltfreundliche Erzeugnisse zurückzugreifen.
Kriterien zur Bewertung der Umweltverträglichkeit
Zur Bewertung der Umweltverträglichkeit von Produkten ist
die Gesamtbilanz der Umweltbelastungen, die bei Herstellung, Gebrauch
und Entsorgung entstehen, sowie Art und Dauer der Nützlichkeit
zu Grunde zu legen. Dabei werden auch solche Fälle berücksichtigt,
bei denen zwar das Recycling, nicht aber die Produktion wenig
umweltschädlich ist. Aber gerade bei dem Recycling können
besonders starke Umweltbelastungen entstehen, z. B. Dioxine aus
Metallrecyclingprozessen.
Mischprodukte mit Plastik (vor allem in Verbundverpackungen) sind
kaum wiederverwendbar. Bei diesen Produkten ist deshalb eher ein
Downcycling über eine einzige Recyclingstufe möglich,
anschließend bleibt bisher nur noch die Verbrennung.
Gesetzliche Regelungen sind fast immer nur als minimale Anforderungen
zu sehen, so daß Produkte mit deutlichen Unterschreitungen
der vorgeschriebenen Werte und Normen - sofern angeboten -verwendet
werden sollten. Auf Stoffe, die nur noch unter Bedenken oder befristet
zur Verwendung kommen, muß ganz verzichtet werden.
Pädagogische Umsetzung
- Bewußtseinsbildung für die Abfallproblematik bei
Lehrern/innen und Schülern/innen
- Fortbildungs- bzw. Einführungslehrgänge für
Lehrpersonal (Senatsverwaltungen, Universitäten, Verbraucherzentrale)
- Workshops für Schüler, Lehrer, Fachleute zu Themen
wie z. B.
- - Wie ist die Wirtschaft zu beeinflussen (Vermeidung, Mehrweg, Recycling)?
- - oder die Kommunen?
- - Wie sollte schulorientierte Pressearbeit zu diesen Themen aussehen bzw.
umgesetzt werden?
- Pädagogische Auseinandersetzung mit den hergebrachten
Entsorgungsmechanismen
- kritische Diskussion zum Dualen System
- Leitbilder sind aufbauen (Verzicht auf Dosen, Plastikverpackungen
etc.)
- Praxisbezogene Maßnahmen
- Aufbau einer praktikablen Entsorgungslogistik - beginnend
im Klassenzimmer, endend bei den Entsorgungsorganen, abgestimmt
auf unterschiedliche Schultypen
- "Aktion Brotbüchse" weg vom "Plastikfrühstück"
- Wettbewerbe zwischen Schulen - wer ist der größte
Müllvermeider/niedrigste Gewichtsquote gewinnt
- Aktion "Einweg-Bannmeile": Schüler/innen informieren
Einzelhandel in ihrem Umfeld durch gezielte Mehrwegkampagnen
- Ältere Schüler/innen unterweisen die jüngeren
durch musikalische oder/und theatralische Vorführungen bei
Schulfesten; Einführung der Schulanfänger etc.
- Aufstellung einer Müllbilanz als Jahresprojekt
- Sonderabfallprojekt; z. B. was geschieht mit Rückständen
aus dem Chemieunterricht?
- Schaffung und Betreuung von Kompostieranlagen, falls Platz
vorhanden; die Bananenschale landet ohne große Umwege auf
dem Kompostplatz und der fertige Kompost im Schulgarten
- Schüler/innen inspizieren die Lehrerzimmer nach Sünden
gegen Vermeidung, Mehrweg, Recycling
- Aktionen nach außen:
- Erarbeitung von Vorschlägen zur Abfallvermeidung im
- - elterlichen Haushalt
- - auf dem Sportplatz
- - in der Disco etc.
- Aktionen mit der Presse (Partnerschaften)
- Entwurf von Plakaten, Demos, Interviews etc.
- Inszenierung von kleineren Theaterstücken zum Thema Abfallvermeidung/Mehrweg
(Beispiel Umladeverband Frankfurt)
Literatur
- Abgeordnetenhaus von Berlin, Mitteilung - zur Kenntnisnahme
- über ökologisches Planen und Bauen; Drucksache 12
/ 4763; 7.9.1994
- Bericht der Enquête -Kommission; Die Industriegesellschaft
gestalten; Economia Verlag, Bonn 1994
- BUND, VZN (Hrsg.); Wie "grün" ist der "Grüne
Punkt"?; Hannover 1992
- BUNDjugend (Hrsg.); Die müllfreie Schule; Bonn 1990
- BUND Naturschutz in Bayern; Wohin mit dem Restmüll?;
Wiesenfelden 1993
- Fußer, A.; BUNDfakten Verpackung; Bonn 1988
- Harenberg, D., Perkowski, R., Schulz, K.; Zum Beispiel Müll;
Berlin (SenSchulSport) 1991
- Institut für ökologisches Recycling (Hrsg.); Abfall
vermeiden; Fischer Taschenbuch Verlag; Frankfurt/Main 1988
- ISZ; Informationen zu Schreib-, Zeichen- und Malartikeln;
Nürnberg 1994
- Kultusministerkonferenz; Beschluß zu Umwelt und Unterricht,
in: Senator für Schulwesen, Berufsbildung und Sport (Hrsg.);
Didaktische Informationen zur Umwelterziehung in der allgemeinbildenden
Berliner Schule, Berlin 1988
- Normenausschuß Bauwesen (NaBau) im DIN e.V.; Mitteilungen
aus der Bauordnung Nr.95; 1994
- Runge, M.; Einfälle statt Abfälle; Kyrill &
Method Verlag; München 1990
- SchülerInnen Aktionen Umwelt Göttingen (Hrsg.);
Total tote Dose; Göttingen 1992
- Spill, E. u. Wingert, E.; Brennpunkt Müll; Gruner und
Jahr; Hamburg 1990
- TU Berlin (Hrsg.); Müll von gestern?; Berlin 1993
- Umweltbundesamt (Hrsg.); Umweltbewußt leben; Berlin
1994
- ders.; Müll kommt uns teuer zu stehen; Berlin 1988