Schule als ökologischer Lernort

Von Johann-Wolfgang Landsberg-Becher

Das abendländische Konzept davon, wie sich der Mensch die Natur untertan macht oder wie er sie im gesellschaftlichen Prozeß der Arbeit aneignet, ist brüchig geworden. Zu schlimm sind die Folgen des Raubbaus geworden. Frau Volkholz hat heute morgen darauf hingewiesen, daß nach drei warmen Wintern und fünf Orkanen in den vergangenen sechs Wochen als Zeichen der Klimakatastrophe, des drohenden Ökozids sehr ernst genommen werden müssen, hier in Mitteleuropa genauso in der ganzen Welt.

Nach dem Zwischenbericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags "Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre" müssen wir unseren durch Verbrennung gewonnenen Energiebedarf auf 1/5 des bisherigen Verbrauchs senken, um die Klimakatastrophe zu verhindern. Wir müssen die Emmission von Treibhausgasen drastisch einschränken, das bedeutet für die Schule, beim Heizen und beim Elektrizitätsverbrauch Energie zu sparen, weniger Müll zu produzieren, der sonst verbrannt werden muß, und weniger Fleisch zu essen, weil bei der Fleischtiermast zuviel Methan freigesetzt wird.Und genauso wie wir Energie sparen und regenerative Energiequellen erschließen müssen, haben wir mit den Schätzen der Erde, den Rohstoffen umzugehen. Der Verbrauch der Rohstoffe ist einzuschränken und ihre Wiederverwertung zu sichern. Gerade jetzt nach der friedlichen Revolution in der DDR, in deren Vollzug sich die BürgerInnen endlich und erfolgreich gegen den weiteren Import Westberliner Mülls gewehrt haben, ist uns hier überdeutlich geworden, daß wir nicht weiterhin unbegrenzt Müll verschieben dürfen und wir nun im wahrsten Sinn des Worts auf ihm sitzenbleiben. Haben wir die Zeichen der Zeit erkannt, damit die Geschichte nicht auch an uns vorbei geht?

Ich wollte nur kurz andeuten, in welchem Ausmaß globale und lokale Probleme des Umweltschutzes uns unmittelbar beeinflussen. Vordringliche Aufgabe der Gesellschaft ist es, mit allen Kräften zur Lösung dieser Probleme beizutragen. Ist sich die Bevölkerung dessen bewußt? Für die notwendige Akzeptanz ist viel Aufklärung zu leisten. Sie ist die notwendige, jedoch nicht die hinreichende Bedingung für den überfälligen gesellschaftlichen Konsens, für einen ökologischen Umbau der spätindustriellen Gesellschaft. Frau Volkholz wies darauf hin, daß die notwendigen Veränderungen nicht hinreichend durchgeführt werden und daß das Wissen um die globale ökologische Krise größer ist als die erforderlichen Verhaltensänderungen.

Und dennoch halten wir fest an der Überzeugung, mit Aufklärung und Engagement für den Umweltschutz werben zu müssen. Die Bundesregierung hat das in ihrem Umweltprogramm bereits vor bald 20 Jahren erkannt. 10 Jahre später hatte sich jedoch fast nichts verändert und die Zentralstelle für Umwelterziehung meldete Fehlanzeige an. Weitere 10 Jahre später erhob die gleiche Klage vor 5 Wochen das Umweltbundesamt in seiner Studie "Lebensraumnutzung im Spannungsfeld Natur-Umwelt-Gesellschaft". Ist die Rede von der Umweltbildung als fächerübergreifenden Prinzips nicht die gefällige Ausrede für Nichtstun?

Schulverwaltungen können angesichts dieser Situation nicht mehr das sattsam bekannte Klagelied der notwendigen Reform der Schule anstimmen und dann den Forderungskatalog der Bundesregierung von 1971 daherbeten, als ob seitdem nichts passiert wäre. Es haben sich die ökologischen Katastrophen exponentiell vervielfacht, der Generationenvertrag der Übergabe einer lebens- und überlebensfähigen Welt ist gebrochen worden, die Bevölkerung ist sich der Probleme bewußt geworden und die Parteienlandschaft hat sich ganz wesentlich aus diesem Grund verändert.

Ökologische Bildung muß angesichts der globalen ökologischen Krise impliziter Bestandteil der Allgemeinbildung und der Erziehung der gesamten Persönlichkeit sein. Das heißt, sie wird die ganze Schule tangieren oder weiterhin im Dornröschenschlaf schlummern. Es reicht nicht mehr, ökologische Unterrichtseinheiten in Biologie und Erdkunde, ggf. noch in Chemie zu entwickeln. Die gesamte Schule incl. ihrer Umgebung ist ökologischer Lernort.

Umweltbildung wird meist nur als fachlich-sachlicher schulischer Lerngegenstand betrachtet. Für eine wirksame Umweltbildung muß jedoch die Schule geöffnet und zusammen mit der sie umgebenden Umwelt zum Lernort gemacht werden. Die Komplexität ökologischer Zusammenhänge kann sich nur in vernetztem Denken widerspiegeln, einem Denken, das nicht bei der Einsicht stehenbleiben darf, das Verhaltensänderung verlangt und das handlungsorientiert und verhaltensändernd so schwer zu vermitteln ist.

In einem Entwurf des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft (BMBW) für ein "Gesamtkonzept zur Umweltbildung" wurde Ende letzten Jahres ausgeführt, daß "es gilt, die Rolle des Menschen auf der Erde neu zu definieren, Art und Ausmaß der Nutzung der Natur und ihrer Ressourcen neu zu bestimmen und das menschliche Verhalten auf die Wechselwirkungen und Vernetzungen in und mit der Umwelt abzustimmen. In diesem Sinn sind traditionelle Werthaltungen zu überprüfen und angemessene neue Werthaltungen zu entwickeln und anzuerkennen. Kein Mensch und keine Institution können davon ausgenommen werden."

Wenn derartige Erklärungen nicht dem gleichen Schicksal wie "Brot für die Welt", wie die der Empfehlungen der UNESCO-Konferenz in Tiflis folgenden Münchener Empfehlungen zur Umwelterziehung oder wie die Ottawa-Charta der WHO erliegen sollen, sind in der Tat alle Werthaltungen zu überprüfen. Ich will an zwei Beispielen, die die Schulverwaltung gerade im vorigen Monat beschäftigten, der Mehrwegflasche für die Schulmilch und der Skifahrten für SchülerInnen, konkret und aktuell werden. Ich möchte darüberhinaus stadtökologische Orientierungen zeigen und deutlich machen, wie Umwelterziehung persönlichkeitsbildend in demokratische Entscheidungsprozesse einüben sollte.

Umweltschutz an der Schule - Abfallvermeidung

In diesen Wochen lief ein 14-tägiger Probelauf für die Einführung von Mehrwegflaschen für die Schulmilch. Dieser relativ harmlose Versuch, etwas Umweltschutz zu praktizieren, hat in der Wirtschaft und Verwaltung teilweise heftigen Widerspruch ausgelöst. Aber auch seitens der LehrerInnenschaft wurden Fragen angesprochen, die man in ihrer Widersinnigkeit so nicht erwarten konnte.

Zunächst starteten Firmen der Verpackungsindustrie eine aufwendige PR-Kampagne, die nachweisen sollte, daß die zu reinigende Mehrwegflasche mehr Energie verbrauchen als die Einweg-Karton-Verpackung. In ihrer Rechnung gingen sie allerdings davon aus, daß eine Flasche nur 9 mal verwendet wird, und sie verschwiegen die Umweltbelastung bei der Kartonherstellung und bei der Müllverbringung. In der Verwaltung wurde die Frage aufgeworfen, ob man Mehrwegverpackungen überhaupt oktroyieren dürfe und ob eine dadurch bedingte Verteuerung um bis zu 5 Pfg. hinnehmbar sei. Die LehrerInnenschaft mühte sich mit Fragen des Gewichts der zu tragenden Flaschen, der Kühlung, der Scherben zerschlagener Flaschen, der Flaschenrückgabe und vermittelte trotz der so oft erhobenen Forderung nach weniger Gängelung keinen Eindruck besonderer Autonomie, indem sie von der Senatsschulverwaltung die Lösung örtlicher Detail-Probleme erwartete.

Ich möchte hier nicht auf die Bedenken im Einzelnen eingehen und meine Vorschläge zur Problemlösung lieber an anderer Stelle unterbreiten. Wenn man allerdings ernst nimmt, was das BMBW als veränderte Werthaltungen fordert, denen sich kein Mensch und keine Institution verschließen kann, kommt man zu einer anderen Art der Milchverbringung. Dann würde man Milch lose ausschenken und die SchülerInnen würden nach dem Genuß der Milch ihre Tassen selber waschen gehen. Das werden jedoch die AmtsärztInnen in unserer von hyperaseptischen Einstellungen geprägten Welt verhindern, dafür blasen wir dann lieber Dioxine und Furane über die Müllverbrennungsanlage in die Luft. Ich befürchte aber auch, daß die GEW aus standespolitischen Gründen gegen den Losemilch-Ausschank Einspruch einlegen und notfalls weitere Ermäßigungsstunden o.ä. fordern würde.

Was ist politische Umweltbildung?

Ein zweiter Vorgang den Umweltschutz in der Berliner Schulpraxis betreffend ist die Auseinandersetzung um die Skifahrten für SchülerInnen. U.a. der BUND hatte sich in der Vergangenheit um die ökologischen Folgen des Tourismus und des Sports gekümmert, kürzlich hier seine Ausstellung "Freizeit fatal" gezeigt und für mehr Umwelt- und Naturschutz in der Öffentlichkeit geworben. Die Folgen waren für die Verwaltung nicht zu übersehen, Eingaben wurden von Gegnern und Anhängern der Skifahrten gemacht, die politischen Parteien haben sich zu Wort gemeldet und es besteht dringender Entscheidungsbedarf. Mit Interesse wird zu verfolgen sein, wie die LehrerInnenorganisationen reagieren werden, wenn in Zukunft SchülerInnenfahrten nicht nur pädagogisch ausgewiesen, sondern auch ökologisch ausgerichtet sein sollen.

In der Februar-Ausgabe der LehrerInnenzeitschrift "päd extra & demokratische erziehung" mit dem Thema Ökopädagogik nimmt Gottfried Strobl, Mitbegründer des Studiengangs Ökowissenschaften am Oberstufenkolleg Bielefeld, in seinem Aufsatz "Was ist erwünscht? Was nicht? - Der Wunsch der Mächtigen: politikfreie Umwelterziehung" zu dem Konflikt Sport und Ökologie Stellung.

"Der sauertöpfische Rigorismus, mit dem von wohlmeinenden Lehrern ökologische Verzichts-Heilslehren gepredigt wurden, hat "Öko" bei Schülern und Schülerinnen zum Schimpfwort gemacht, da sie darin nur eine neue Variante der Versagung ihrer Bedürfnisse sahen. Müssen die Kinder z.B. anfangen, mit dem Schifahren aufzuhöhren, um die Alpen zu retten, und müssen ökologisch denkende Lehrer und Eltern das durchsetzen?"

Strobl konstatiert: "Wenn alle Parteien und gesellschaftlichen Gruppen Umweltschutz und Umwelterziehung propagieren, dann wird die Frage nach Unterschieden lohnend und notwendig". Er vermutet dahinter eine Entpolitisierung der Umwelterziehung, die sich in der Bonner Kreation des neuen Begriffs Umweltbildung ausdrückt. Abgesehen davon, daß ein Pädagoge zwischen Erziehung und Bildung unterscheiden sollte (s. dazu auch Hedewig), geht der Bonner Begriffskreation die Berliner rot-grüne Koalitionsvereinbarung zur Ökologischen Grundbildung voraus.

Aber es geht um mehr als um den Begriff. Freunde und Feinde zu benennen, den ideologischen Hintergrund zu eruieren und daraufhin das Engagement für Umweltschutz zu beurteilen, dies ist genau die falsche, unsachliche und intollerante Parteilichkeit und im Kern unpolitisch. Parteinahme für den Umweltschutz heißt, nicht nach Forderungen, deren es sowieso unendlich viele gibt, sondern nach Handlungen zu sehen.

Die politische Existenz beginnt bei den eigenen Handlungen und Veränderungen, nicht bei der Systemanalyse. Politische Ökologie und Umweltbildung werden in ihren Wirkungen politisch, wenn sie SchülerInnen zum Engagement befähigen, sie ermutigen, Mülltransporte zu blockieren oder die BUND-Jugend in der Auseinandersetzung mit dem Ski-Lehrerverband unterstützen. Derartiges Engagement kann gesellschaftliche Praxis verändern und ist daher politisch. Politisch sein, heißt nicht, nur Forderungen an Regierungen und andere Institutionen zu stellen, sondern vor allem auch selber handelnd und sich selbstverändernd einzugreifen. Dies zeigte ich interpretierend an den beiden für die Berliner Schule aktuellen Beispielen der Schulmilch und der Skifahrten.

Ich ging darauf derart ausführlich ein, um bei den weiteren Darstellungen und Konkretionen nicht den Eindruck zu erwecken,

  • daß Schule als ökologischer Lernort eine Neuformulierung von "Grün macht Schule" ist. Es geht hier weder um Naturbewahrung, noch um Begrünung, sondern um stadtökologisches Engagement im weitesten Sinne. Außerdem sollte nicht der Eindruck erweckt werden,
  • daß wir neue Modelle für morgen und übermorgen diskutieren. Es ging mir vielmehr darum, die heute bereits bestehenden Möglichkeiten des Tätigwerdens und ihre zugegebenermaßen notwendige gesamtgesellschaftliche Interpretation anzudeuten und vor der falschen Alternative fortschrittliche Schule vs. dümmlicher Verwaltung zu warnen. Genauso falsch wie die Forderung ist, Umweltschutz fängt bei jedem einzelnen an, ist auch der ausschließliche Verweis auf andere Institutionen, an die dann mit dem Hinweis auf die gesamtgesellschaftliche Verantwortung auch gleich die eigene delegiert wird.

Demokratie wirklich wagen

Umweltbildung in der Schule wirkt nur dann überzeugend, wenn die gesellschaftliche Realität, also auch der gesellschaftliche Dissenz und das Ringen um Veränderungen, den SchülerInnen ersichtlich gemacht wird. Derartige Auseinandersetzungen können nur überzeugen, wenn die Schule sich ihnen stellt. Auch die Trägheit der eigenen Schule gerät dabei ins Blickfeld, z.B.

  • wenn wegen einer Ausstellung des Instituts für Ökologisches Recycling ein Wandertag plötzlich verschoben werden soll,
  • Normarbeiten effektiver vorbereitet werden müssen, damit Zeit für eine ökologische Patenschaft übrig bleibt,
  • der Parkplatz der LehrerInnen für einen Schulgarten weichen soll etc.,

bei den Auseinandersetzungen

  • um eine neue Ausführungsvorschrift für SchülerInnenfahrten, die umweltverträglicher gestaltet werden sollen, (Verkehrsmittel, Verpflegung, Programm),
  • um die in der Ausführungsvorschrift (AV Schulische Ernährung) zu regelnde Organisation medizinisch und ökologisch verantwortbaren Essens- und Getränkeangebots in der Schule, fett-, zucker-, salz- und fleischarme vollwertige Nahrungsmittel und keine Einwegverpackung,
  • um die ökologisch vertretbare Reinigung und Renovierung der Schule, welche natürlich arbeitsintensiver ist, wo von den SchülerInnen mehr Verantwortung abverlangt wird und bei der deshalb dann alle mitarbeiten und nicht klagen sollten, daß der Staat damit wieder Geld sparen will,
  • um die Bereitschaft, das eigene Unterrichtsprogramm für Experimente in den Naturwissenschaften zu überprüfen und zu verändern, um damit einen Beitrag zur Verringerung des Sondermülls zu leisten und nicht, wie die CDU-Abgeordnete Kollotschek in ihrer Pressemitteilung unterstellt, um den naturwissenschaftlichen Unterricht drastisch einzuschränken,
  • um die vollständigen Revision der Rahmenpläne, um den Umweltschutz tatsächlich fächerübergreifend als verbindliches Unterrichtsprinzip zu etablieren, ohne über die damit verbundene, nicht zu verhindernde Mehrarbeit zu klagen.
  • Bei all diesen Vorhaben wird Uneinigkeit sein. Das wird auch für ein auf dieser Tagung zu besprechendes Problem gelten, wenn
  • beim Schulneubau der Freiflächenverbrauch aus ökologischen Gründen verringert werden soll und dem aus sozialen und ästhetischen Gründen architektonische Vorschläge entgegenstehen.

Es ist nicht harmoniesüchtig, nicht die gemeinsame Schnittmenge aller Interessen, sondern der Schnittpunkt zu suchen, an dem sich divergierende Interessen stoßen. Entscheidungen im Umweltschutz sind fast immer abwägend. Die Ernsthaftigkeit, mit der die Abwägung und Auseinandersetzung dann betrieben wird, mit der versucht wird, traditionelle Werthaltungen zu überprüfen und neue durchzusetzen, ist es, die überzeugen kann. Bei den Interessenskollisionen wird es ganz wichtig sein, auch die mit der eigenen Klientel nicht zu umgehen.

Eine verstärkte Umweltbildung, sprachlich nicht einwandfrei im politischen Raum als Ökologisierung der Schule bezeichnet, basiert in besonderem Maße auf Bildungszielen wie

  • Handlungskompetenz, hierzu gehören in besonderem Maße auch kognitive und emotionale Betroffenheit,
  • Umorientierung,
  • Veränderung der Weltsicht, bei der auch die Perspektiven in neuen Relationen zueinander gebracht werden,
  • Praktische und handwerkliche Fähigkeiten, die sowieso Bestandteile eines ganzheitlichen Unterrichts sind, und
  • Fachkompetenz angewandten ökologischen Denkens, vernetzten Denkens in den geschichtlichen und vor allem zukunftsbezogenen Dimensionen.
  • Akzeptanz noch unbeantworteter Fragen,
  • Suchen nach Lösungen.

Uneingelöste Forderungen der Reformpädagogik

Im bereits zitierten Entwurf des BMBW für ein Gesamtkonzept zur Umweltbildung werden derartige Ziele mit folgenden Beispielen konkretisiert:
"- selbstbestimmtes Durchbrechen zukunftsgefährdender Verhaltensweisen,
- rationale Wendung subjektiver Betroffenheit in konkretes verantwortliches Handeln,
- individueller und kollektiver Verzicht in der Wohlstandsgesellschaft,
- Empfindung der Betroffenheit auch bei anscheinend fernliegenden Ereignissen,
- Sensibilität für die andere Qualität von Umweltfragen in den ärmeren Ländern der Welt,
- friedliche Mitwirkung bei einer gerechteren Verteilung der Güter dieser Welt."

Als mit der sich entfaltenden industriellen Gesellschaft das Lernen aus dem Leben herausgenommen wurde, sich partikularisierte, wurde geordnetes Lernen, wurde Schule, notwendig (Pestalozzi). Hier wurde gedacht, der Zusammenhang zwischen dem Handeln und den Folgen aufgedeckt (der amerikanische Pragmatiker Dewey). Ist der Zusammenhang aber nicht zu rekonstruieren, weil z.B. die Zukunft noch weitgehend unbekannt ist, wie bei den oben benannten Zielen, so muß man exemplarisch arbeiten und versuchen, das gerade Aufgetauchte zu lösen. Die Umweltbildung ist daher in besonderem Maße exemplarisch, angewandt, epochal, prozeß- und projektorientiert. Immer häufiger wird in diesem Zusammenhang auf die reformpädagogischen Traditionen (u.a. Berthold Otto, Maria Montessori, Célestin Freinet, Georg Kerschensteiner, Paul Oestreich, Fritz Karsen, Peter Petersen, Rudolph Steiner) zurückgegriffen.
Es sei angemerkt, daß die LehrerInnen in der DDR großes Interesse an derartigen Ideen angemeldet haben und eine wahrhafte Waldorf-Renaissance derzeit dort stattfindet. Es wird unsere Aufgabe sein, die Vielfalt pädagogischer Reformbestrebungen den KollegInnen in der DDR zu vermitteln, und dies ist unsere Chance, dabei gleichzeitig über die von uns geübte Praxis selbstkritisch nachzudenken.

Schulleben außerhalb des Unterrichts

Umweltbildung erstreckt sich auf den Unterricht und das Schulleben außerhalb des Unterrichts. Ihm kommt eine besondere Bedeutung zu, weil es sich bei der Umwelterziehung um eine das Verhalten zu verändernde Erziehung handelt. Hierbei ist die Konsonanz, Übereinstimmung von Einsicht und Verhalten, sowie die eigene Tätigkeit von Wichtigkeit, weil sonst kein konsistenter Einstellungswandel erreicht werden kann. Insofern muß die Schule in Bezug auf den Umweltschutz mit gutem Beispiel vorangehen und den pädagogischen Auftrag der Schule einlösen, Anlaß und vorbildliches Beispiel für Umwelt schonende Veränderungen auch für andere kommunale Einrichtungen und Betriebe zu werden.

Umwelt schonendes Verhalten betrifft:

  • Die Auswahl der in der Schule verwendeten Umwelt schonenden Materialien; hierbei ist zunächst an die bei der Herstellung anfallende Belastung von Menschen und Umwelt gedacht.
  • Ein Abfallvermeidungskonzept auf dem Weg zu einer müllfreien Schule, wie es bereits eine Schule in Merdingen versucht. Die Verbrauchsmaterialien müssen dabei wiederverwertbar oder kompostierbar sein. Wiederverwertung heißt nicht recyclefähig, wo dann oft minderwertige und nur noch einmal benutzbare als Rohstoffe fungierende Ausgangsprodukte entstehen. Hier muß sich die Lebensart ändern. Z. B. sind Faser- und wie auch leider hier auf der Tagung benutzte Folien-Stifte durch in Holz gefaßte Buntstifte und Kreide zu ersetzen. Rohstoffe werden differenziert gesammelt und getrennt zu verbracht bzw. kompostiert.
  • Die Reinigung und Renovierung des Gebäudes, die wie schon angedeutet auf ökologischer Basis arbeitsintensiver sein wird. Die Gebäude müssen deshalb von den SchülerInnen mehr geschont werden. Das dafür notwendige Verantwortungsgefühl kann z.B. über gemeinsame Renovierungsaktionen hergestellt werden. Eigenverantwortliche Selbstbewirtschaftung der Schule steht nicht ohne Grund in der guten Tradition der Reformpädagogik, weil mit der eigenverantwortlichen Tätigkeit soziale Verbindlichkeit gegenüber Mitmenschen und Gemeineigentum realisiert wird. Dies wird weitaus mehr bringen als ein Reden über den mündigen Staatsbürger.
  • Der Energieverbrauch erscheint trivial, ist doch darauf zu achten, daß nicht bei i. d. R. geschlossenen Fenstern zuviel geheizt und das Licht ausgeschaltet wird. Beobachtungen und Messungen ergaben jedoch ein ganz anderes Bild. Energiesparen tut in den öffentlichen Gebäuden not. Die angeblich gut funktionierende Marktwirtschaft scheitert an der Landeshaushaltsordnung, sodaß diejenigen, die verantwortungsbewußt Energie gespart haben, bisher dafür nichts erhielten. Kosten für eingesparte Energie müßten schulbezogen anderen Titeln gut geschrieben werden, z. B. SchülerInnenfahrten. Vielleicht ist dies demnächst bei der Globalzuweisung des Haushalts an die Bezirke möglich, entsprechende Vorstöße machten bereits die finanzpolitischen Sprecher der Koalitionsfraktionen.
  • Die "AV schulische Ernährung" soll ermöglichen und die Schulen müssen dazu einiges beitragen, daß in der Schule und bei schulischen Veranstaltungen vorbildhaft das vorgelebt, was im Unterricht gelehrt wird. Die öffentliche Schule muß Sorge dafür tragen, daß in Zukunft in ihrem Verantwortungsbereich nur diejenigen Lebensmittel und Getränke erlaubt werden, die medizinisch und ökologisch vertretbar sind. D.h. auch, daß diese Produkte mit einer minimalen Schädigung der Umwelt gewonnen wurden - sprich: Einschränkung des intensiven Landbaus - und in wiederverwertbaren Materialien abgepackt sein müssen.
  • Die Durchführung von Schulfeiern, Wandertagen und SchülerInnenfahrten: Hierbei sind Unterkünfte hilfreich, in denen die SchülerInnen möglichst viel selbst machen müssen und wenig von Dritten versorgt werden. Die SchülerInnenfahrten müssen umweltverträglich sein. Das heißt, für Fernfahrten kommt lediglich die Eisenbahn in Frage. Eine besondere Rolle spielt bei der Unterkunft die Küche, die gemeinschafliche Selbstversorgung. Es geht nicht an, daß bei einem vorgegebenen maximalen Fahrtenpreis, dieser über die Wahl umweltunverträglicherer Transportmittel und Unterkünfte und nicht über eine dem Fahrtenpreis angemessene Zielplanung gehalten wird. Es ist darauf zu achten, daß Müll vermieden, Rohstoffe sorgsam verwandt und Energie gespart werden. Insbesondere ist der Proviant in Mehrweggefäßen und in kompostierbaren Papier zu transportieren. Biologische Reinigungsmittel sind zu verwenden und unter keinen Umständen sind Druckflaschen mit "Treibhausgasen" zulässig. Für den Umweltschutz sind dabei vor allem die Einhaltung der Regeln des Natur- und Landschaftsschutz sehr wichtig. Darüberhinaus sollten Skilauf nur unter naturschützenden Auflagen erlaubt und andere Sportarten, wie z. B. Radeln, Rudern, Paddeln, Eislaufen, gefördert werden. Es sollten Beteiligungen an Landschaft schützenden Aktionen, wie z. B. in den Waldschulheimen der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, vorgesehen werden.
  • Die Abschaffung (bzw. die Reduzierung) von PKW-Parkplätzen für die LehrerInnen auf dem Schulgelände oder dem die Schule umgebenden Freigelände ist sicherlich der demonstrativste Akt für einen Umweltschutz, der mehr als Lippenbekenntnis ist sein will.

Die vom Modellversuch "Umweltbildung, Umwelterziehung und Umweltgestaltung" herausgegebene Schrift "Schulen brauchen grüne Dächer", der Vorschlag für eine "AV schulische Ernährung", der für eine Novellierung der "AV SchülerInnenfahrten", der für die "Konzeptionellen Leitlinien für den Neu-/Umbau von Gesamtschulen" entwickelte Vorschlag "Umwelterziehung und mögliche Auswirkungen auf die Gestaltung der Um- bzw. Neubauten der Schulen aus pädagogischer Sicht" (s.Anhang) und die Vorbereitung für die Entsiegelung von Schulhöfen weisen konkrete Richtungen auf.

Fächerübergreifende Umweltbildung

Im Unterricht ist von einem

  • fächerübergreifenden Unterrichtsprinzip der Umwelterziehung, die weitaus häufiger das Schulgelände verlassen muß, und
  • laut Koalitionsvereinbarung von einer Ökologischen Grundbildung auszugehen, die als eigenständiges Fach angeboten werden soll. Eine entsprechende Forderung hatte bereits der 1. Umwelttag 1986 in Würzburg gefordert. Jüngst empfahl der Leiter der Abteilung Umwelterziehung und Jugendarbeit der Umweltstiftung WWF, Heidorn, die "Einrichtung eines Lernbereichs Natur in der Sek. I analog zum Lernbereich Sachunterricht in der Grundschule".

Die Bedeutung der Ökologischen Grundbildung und ihr Unterschied zum fächerübergreifenden Unterrichtsprinzip soll deutlich gemacht werden. Bei der Umwelterziehung als fächerübergreifendem Unterrichtsprinzip werden eher Teilaspekte in den einzelnen Fächer bearbeitet, z.B. im Deutschunterricht die Auseinandersetzung mit romantischer Lyrik und der Bedeutung des Waldes. Umweltbildung ist kein Sammelsurium von Katastrophenmeldungen sein, dies soll das Beispiel mit dem Wald auch gleich zeigen, sondern hat Menschen für ihre Umwelt zu begeistern, auf daß sie willens sind, an ihrer Gestaltung teilzunehmen. Hierfür sind positive Signale weitaus angemessener, weil bekanntermaßen negative zu Abstumpfung, Leugnung und Resignation führen.

Fächerübergreifende Umwelterziehung ist i. d. R. umweltbezogene Anwendung des vorher des vorher Gelernten. So wird die Bedeutung des CO2 als wesentlichen Stoff bei dem Treibhauseffekt meist erst nach der Behandlung der Chemie des Kohlenstoffs erwähnt. Eine umweltbezogenere Weise des fächerübegreifenden Unterrichts, bei der der Umweltbildung tatsächlich eine Priorität eingeräumt wird, von Blume und Bader als umweltbezogener Unterricht bezeichnet, ist dagegen die Behandlung der Klimakatastrophe und ihrer Vermeidung, in derem Verlauf die besondere Bedeutung des CO2 deutlich und dann die Chemie des Kohlenstoffs behandelt wird. Dies wird z. Zt. wohl, wenn überhaupt, nur in Biologie und Erdkunde geleistet.

Ökologische Grundbildung

Bei der Ökologischen Grundbildung wird dagegen ein komplexer Vorgang - in der Regel projekthaft - bearbeitet, dem Gesetzmäßigkeiten des Umweltschutzes und der Umweltgestaltung inhärent sind. Sie ist eine Zusammenfassung des bisher Gelernten, in Projekten gestaltete und systematische Vertiefung und soll gegen Ende der Sekundarstufe verbindlich eingeführt werden.

Ökologische Probleme treten genau dort auf, wo Naturwissenschaften allein nicht vorankommen. Daß es nicht ausreicht, die Themen den tradierten Schulfächern zuzuordnen, und daß deshalb die Grundbildung neu eingerichtet werden muß, zeigt sich darin, daß für einige Themen, in besonderem Maße gilt das für ethische und juristische Fragen, überhaupt keine zur Thematisierung geeigneten Fächer vorhanden sind, resp. die vorhandenen Fächer curricular in einer ganz anderen Tradition stehen.

Mit der Einführung der Ökologischen Grundbildung könnten auch die Probleme der Interdisziplinarität besser gelöst werden. Bei ihr sollen kompakt und schwerpunktmäßig die Schülerinnen und Schüler vorbereitet werden, in den weiteren Fächern, in anderen Zusammenhängen und im späteren Leben die für den Bestand der Biosphäre wesentlichen Punkte zu erkennen, Fragen zu beantworten und als umweltbewußte Staatsbürger angesichts "der Möglichkeit der Unmöglichkeit von Zukunft" Position zu beziehen.
Dabei werden die Fertigkeiten verschiedener Fächer benötigt, wie Kartenlesen, Auswerten von Tabellen, Kenntnis der Probleme des Arbeitsmarktes, Anwenden von Kenntnissen des Umwelt- und Baurechts, Befragung und Reportage, Charakterisierung eines Biotops etc., zum Beispiel bei der Beteiligung an der öffentlichen Auslegung einer Bauleitplanung. Ein derartiges Vorgehen entspricht auch den Konzepten der ebenfalls in der Koalitionsvereinbarung angesprochenen community education, der bildenden Teilnahme an der Bewältigung ökologischer Aufgaben im Zusammenspiel von Bildungsinstitution und Gemeinde.

Hierbei werden neben den Naturwissenschaften Fragen der Produktion, des Schutzes der Menschen und der Natur, natürlich auch Fragen der Arbeitswelt, des Umweltrechts, seiner Anwendung, der Stadt- und Regionalplanung, sowie der Umweltmedizin zu berücksichtigen und Alternativen zu entwickeln sein. Mögliche Projekte wären dann beispielsweise:

Analyse und Stellungnahme bei Auslegung einer Bauleitplanung. Besonders bei der Bereichsentwicklungsplanung und den Bebauungsplänen können nachvollziehbar Fragen des Umweltschutz in der industriellen und großstädtischen Gesellschaft in einer Weise behandelt werden, bei der die SchülerInnen lernen, als StaatsbürgerInnen zu agieren. Bei anderen kommunalen Entscheidungen ist oftmals die Herstellung von Öffentlichkeit und Überprüfung der Gegebenheiten wichtig. So ist z. B. die Nutzung von Sportfreiflächen im Spannungsfeld Sport und Ökologie oftmals Anlaß heftiger Auseinandersetzungen. Hierbei werden Nutzungen durch die Sportverbände unterstellt, die nie geprüft wurden und lediglich auf Verbandsangaben beruhen. Die hohen Nutzungsraten sind dann das Argument für zunehmend intensivere Bebauung und Versiegelung der Sportfreiflächen. Verbandsfreier Sport wird so sogar aus den Sportanlagen in die Parkanlagen verdrängt und richtet dort dann auf dafür nicht geeigneten Flächen Schäden an. Die Bedingungen eines Quartiers zu untersuchen, wäre hierbei ein u.a. wegen der Methoden nicht nur interessantes, sondern auch für den Bezirk wichtiges Projekt.

  • Tätigwerden bei Emmissionen benachbarter Unternehmen, z. B. Chemisch-Reinigungen, Photochemische Betriebe, Metallverarbeitung etc. Dies sind ökologisch wichtige und übliche, siehe z. B. Greenpeace und Robin Wood, und pädagogisch eindrucksvolle Unternehmungen.
  • Mitwirken bei Gestaltungen vor Ort, z. B. Landschaftsrenaturierungen von Feuchtbiotopen oder Tierschutz wie der Bau von Amphibienfanganlagen macht die SchülerInnen für die Vielfalt und Komplexität des Umweltschutzes sensibel.
  • Übernahme sozialer oder ökologischer Patenschaften, z. B. Freiflächengestaltungen bei Kindergärten und Kinderläden. Das könnten für den großstädtischen Raum den Bach- und Waldpatenschaften vergleichbare Aktionen sein, die in Berlin oft gefordert wurden.
  • Großräumige Prüfung von Verkehrswegen, z. B. Förderung des ÖPNV und des Fahrradfahrens, gehören zu den Standards stadtökologischen Engagements. Entsprechende Untersuchungen, Heimatkunde, Kartographie, Verkehrsdichtezählung und Geschwindigkeitsmessungen können sowohl den Fachuntericht wesentlich ergänzen als auch die Notwendigkeit des Abschieds von der Autogesellschaft deutlich machen. In diesem Zusammenhang ist die Verkehrserziehung wegen ihrer PKW-Fixierung völlig neu zu konzipieren. Trotz ihrer sozialen Bedeutung sind Mofa-AGs kaum noch tragbar. Unterrichtsbefreiungen für Fahrstunden sind nicht akzeptabel.
  • Impliziter Bestandteil der Umwelterziehung sollte eine ganzheitliche prophylaktische Gesundheitsförderung sein, die natürlich neben den Fragen der Körperwahrnehmung und Gesundheitsförderung, den der sozialen und Arbeitsmedizin auch die der Umweltmedizin thematisiert (z. B. das Konzept des Arbeitskreises Gesundheitsbildung und das der Ärztekammer Berlin). Offen bleibt allerdings hierbei, ob dies im Rahmen des fächer- und jahrgangsübergreifenden Unterrichts, eines neuen speziellen Fachs oder einer Kombination beider - was hier empfohlen wird - erfolgen soll.

Umweltbildung und Selbstverwirklichung

Die benannten Themen sind stark an gesellschaftliche Problemen und an Fragen des täglichen Lebens orientiert. Sie folgen nicht der traditionellen Fachsystematik und sind nicht Appendices ähnelnde Anhänge dieser Fächer. Lebenspraktische Bedeutsamkeit, vernetztes Denken, Einstellungswandel und Handlungsorientierung sollen so erfahren resp. ermöglicht werden

Somit wird auch die Beschränkung auf den technologischen Aspekt aufgegegeben, der der naturwissenschaftlichen Orientierung inhärent ist. Diese Beschränkung ist auch eine Reaktionsbildung allmächtiger Phantasien, nach denen letztendlich doch alles machbar und alle Probleme lösbar seien.

Umweltbildung muß auf einen Wandel der Kultur der spätindustriellen Gesellschaft abzielen. "Die Umweltkrise ist nicht eine Panne, sondern Symptom des Mensch-Natur-Verhältnisses", wie es seitens der Ökopädagogen oft formuliert wurde. Dies muß in das alltägliche Bewußtsein eingehen. So sind Aspekte des Umwelt- und Naturschutzes, des Massenkonsums und der Entfaltung anderer Lebensperspektiven im nächsten Jahrtausend gerade in den klassischen "kulturbildenden" Fächern der Sprachen und der Künste zu thematisieren.

Ferner ist die bisherige Entpolitisierung der Fragen des Umweltschutzes markant. Mit wenigen Ausnahmen werden keine sozialen Folgen, ökonomische Konflikte, gesellschaftliche Strukturen und Widersprüche, juristische Probleme, Wertkonflikte oder gar Möglichkeiten des staatsbürgerlichen Tätigwerdens thematisiert.

Bemerkenswert ist das insofern, als gerade Probleme des Umweltschutzes häufig überhaupt erst aufgrund ihrer politischen Dimension bekannt werden. Die schulische Entpolitisierung muß angesichts "der Möglichkeit der Unmöglichkeit von Zukunft" nicht zwingend der Versachlichung dienen, sondern scheint eher die Verdrängung zu bedingen. Das Verdrängte durch Erinnern und Erleben bewußt zu machen, soll die praxisorientierte Auseinandersetzung am ökologischen Lernort Schule ermöglichen.

Die Themen für eine engagierte Umweltbildung müssen nicht gesucht werden, sie liegen vor der Tür des ökologischen Lernorts Schule. Es muß auch keine Didaktik entwickelt und didaktische Aufarbeitung geleistet werden, hierfür kann man von dem reichen Fundus der Bürgerinitiativen und Betroffenengruppen lernen. Anleitend handelnd haben die LehrerInnen den SchülerInnen ökologisches Engagement zu ermöglichen.

Dies zu fordern, heißt aber auch, sich den Problemen der verrechtlichen und normentradierten Schule zu stellen. Schulen können nur dort anfangen, wo sie sind. Aber anfangen müssen sie. Wenn heute mehr Ökologie und mehr Autonomie "in" sein sollen, dann müssen Wegwerfgesellschaft, Konsumfetischismus und Bedientwerden "out" sein. Dies muß keine lustfeindliche Verzichts- und Verbotspädagogik sein, sondern ist, sofern man sich dem Problem befriedigender Alternativen stellt, ein Beitrag zur Reifung, Selbstverwirklichung und Autonomie.

Die eingangs erwähnten zukunftsbezogenen Dimensionen verlangen "den Blick nach vorn durch das Vorstellen phantastischer und realistischer Möglichkeiten. Erst der Zukunftsbezug aus mehrperspektivischer, multidimensionaler Sicht ermöglicht es, die ökologische Perspektive durch die Förderung utopischen Denkens und phantasievollen Handelns zu realisieren" (de Haan, S. 11), was de Haan in den vorgelegten Vorschlägen für die Grundschule (die Vorschläge für die Oberschule werden noch bearbeitet) konkret und realistisch zeigt

Werden für den Umweltschutz Verbote erlassen, wird oft der Vorwurf einer rigiden Verbotspädagogik erhoben, wie z.B. auch Strobl. Wie lebensfern dieser Vorwurf ist, soll zunächst am Beispiel gezeigt werden. Unstrittig sind Diebstahl und Mord am Menschen strafbar, Diebstahl und Mord an der Natur aber, der Lebensgrundlage, wird zur Diskussion gestellt und die Pädagogik in Freiheit ohne Gebote und Verbote gepredigt. Die Schulpflicht oder das Verbot Gewalt verherrlichender Filme sind pädagogisch begründete Einschränkungen, und kein Mensch käme auf den Gedanken pornographische oder Gewalt verherrlichende Filme in der Schule zu zeigen. Wenn die Schule mit Geboten und Verboten arbeitet, dann muß sie dies erst Recht für den Umweltschutz leisten.

Freiheit, sich zu entscheiden, ob man die Umwelt schädigen will oder nicht, statt einem Verbot der Umweltschädigung ist kontraproduktiv, da letztlich die "Dummen" sich für den Umweltschutz abrackern und die anderen so weiter machen und sich ins Fäustchen lachen können. Diese Freiheit, die Umwelt schädigen zu können, ist die Unfreiheit für die Umweltschützer und der späteren Generationen, die gezwungen werden, das Unrecht zu dulden und die Folgekosten mitzutragen. Der Ruf nach mehr Freiheit in der Umweltbildung ist der Vorwand für Nichtstun.

Von dieser Warte aus gesehen, gehören die Diskussionen um die Mehrwegflasche bei der Schulmilch und die Skifahrten bereits der Vergangenheit an. Schulen, die sich dem stellen, werden ökologische Lernorte sein, die anderen sind nicht neutral, sondern auch im Nichthandeln umweltschädigend und damit auch, jedoch leider in negativem Sinne, ökologische Lernorte.

Zum Abschluß möchte ich noch meinen MitarbeiterInnen aus dem Modellversuch "Umweltbildung, Umwelterziehung und Umweltgestaltung im Schulbereich" Kerstin Gnielka für die so wichtigen Recherchen, Heidi Kosche und Rainer Bachmann für die für das Vorgetragene wesentlichen und hilfreichen Diskussionen danken.

Literatur

Ärztekammer Berlin (1989): Curriculum: Weiterbildung zur Fachkraft für kommunale Gesundheitsförderung, unpubl.
Arbeitskreis Gesundheitsbildung (1985): Rahmenplan Gesundheitsbildung an Volkshochschulen, Bonn (Deutscher Volkshochschul-Verband).
Blume, R. & Bader, H.J. (1989): Umweltchemie in Experimenten - Ein Leitfaden für Lehrer, VHS-Kursleiter und Arbeitsgruppen, Frankfurt a.M. (Scriptor).
BMBW (1989): Gesamtkonzept zur Umweltbildung, Teil I: Grundlagen und Perspektiven der Umweltbildung.
Eulefeld, G. et al. (1988): Praxis der Umwelterziehung in der Bundesrepublik Deutschland - Ergebnisse einer empirischen Studie, Kiel (IPN).
Haan, G. de (1989): Ökologie-Handbuch Grundschule, Weinheim und Basel (Beltz).
Hedewig, R. (1990): Umweltschutz professionell - Bericht aus dem Arbeitskreis Umweltbildung. Biologie heute, Nr. 373, S. 5.
Heidorn, F. (1990): Umwelterziehung - Feigenblatt oder Neubesinnung staatlicher Bildungspolitik, Pädagogik, 3/90, S. 44 - 48.
Mertineit, K-D (1990): Umwelterziehung in der Lehrerfortbildung - Ansatzpunkte und Modelle. In: Umweltbundesamt, Lebensraumnutzung im Spannungsfeld Natur - Umwelt - Gesellschaft, Berlin, Bd. 1.
Senatsverwaltung für Schule, Berufsbildung und Sport (1989): Schulen brauchen grüne Dächer, Berlin (Eigenverlag).
Strobl, G. (1990): Was ist erwünscht? Was nicht? päd extra & demokratische erziehung, 3, 1/2, S. 5 - 6.

Anhang

Umwelterziehung und mögliche Auswirkungen auf die Gestaltung der Um- bzw. Neubauten der Schulen aus pädagogischer Sicht

In den Rahmenplan der SEK I sind ökologische Gesichtspunkte bisher hauptsächlich den naturwissenschaftlichen Fächern und dem Fach Arbeitslehre zugeordnet.
Lernziele und Lerninhalte beziehen sich häufig auf den kognitiven, selten jedoch auf den affektiven Bereich.
Wenn ökologisches Denken als gemeinhin vernetztes Denken aufgefaßt wird, dann erfordert dieses einen anderen didaktischen Zugriff.
Im Mittelpunkt des Lernens steht nicht mehr ein Thema eines einzelnen Faches, sondern ein Objekt, welches fächerübergreifend realisiert wird.
Umwelterziehung geht einher mit einem Umdenken in Kultur, Lebensstil, Ansprüchen und Konsum.
Die Schule befindet sich zur Zeit in einem scheinbaren Antagonismus zwischen vermitteltem Wissen und eigenem Verhalten.
Zwar lehrt die Schule ökologische Aspekte, doch praktiziert sie sie als Institution nur bedingt.

  • Die Angebote in den Cafeterien orientieren sich häufig ausschließlich an dem Anspruch und Konsumverhalten seiner Nutzer.
  • Umweltschädigende Gebrauchs- und Verbrauchsmittel werden eingesetzt (unter anderem entsprechende Reinigungsmittel, Farben).
  • Müllvermeidung stellt die Ausnahme dar.Die Ergebnisse des sozialprophylaktischen Medizin werden punktuell berücksichtigt.

Der Lernort Schule muß zukünftig in seinem institutionellen Verhalten auch das praktizieren, was er seinen Schülerinnen und Schülern vermitteln will.
Die Schule muß sich als Lebensraum und gleichzeitig als Objekt auffassen, in dem sie die Anforderungen an ökologisches Verhalten auch reproduziert.
Die Objekte des Erlebens und Erlernens der Ökologie - Energie, Wasser, Abfälle, Klima/Luft/Lärm, Grün und Bauökologie - sollten an Gebäuden und Außenanlagen einsehbar, erkennbar bzw. erlebbar sein.
1. Objekt "Energie"
- Wärmetauscher (Energierückgewinnung)
- Wärmepumpen
- Alternative Energiequellen (Solar/Windkraftanlagen)
- Isolierung des Gebäudes
- Beispiel "Treibhaus"
2. Objekt "Wasser" Temperaturwächter) v - Abwassertrennung - Schulgarten, Gartenarbeitsschule
- Brauchwasserleitungen - Freilandlabor
- Versickerung - Tierhaltung
- Beispiel "Biotop"
3. Objekt "Abfälle"
- Müllvermeidung
- Mülltrennung
- Kompostierung
- Pfandautomaten/Getränkespender
4. Objekt "Klima/Luft/Lärm"
- Fassade-, Dachbegrünung
- Hecken, Bäume
- Nischen, Hügel
- Freiräume
5. Objekt "Grün"
- Rankgewächse (Staubfilter, Sauerstoffspender, Lichtfilter, Temperaturwächter)
- Schulgarten, Gartenarbeitsschule
- Freilandlabor
- Tierhaltung
6. Objekt "Bauökologie"
- Baumaterialien
- Baukonstruktion

Vortrag auf der gleichnamigen Fachtagung 1989